Magazinausgabe #4, Struktur & Kultur
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So bleiben Mitarbeitende in der Elternzeit nah dran

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Wenn Mitarbeitende einige Monate oder sogar Jahre Elternzeit nehmen, entsteht unwillkürlich eine gewisse Distanz zwischen ihnen und ihrem Unternehmen. Arbeitgeber:innen und Führungskräfte können aber durch gezielte Maßnahmen dazu beitragen, dass der (emotionale) Abstand nicht zu groß wird und sich die jeweiligen Angestellten bei ihrer Rückkehr noch immer als gut informierter und fest verankerter Teil der Organisation fühlen. Wie genau das klappt, weiß unsere Gastautorin Katja Schumacher.

Am Ende meiner ersten Elternzeit 2011 war ich recht optimistisch. „Ich komme dann einfach zurück in meine Führungsposition, vielleicht mit ein wenig reduzierter Arbeitszeit, und gemeinsam mit meinem großartigen Team werde ich das schon schaukeln“, dachte ich. Aber – Pustekuchen! Mein Arbeitgeber hörte sich meine Vorstellungen an und teilte mir nach einem kurzen Stirnrunzeln in knappen Worten mit, dass sich Führung nicht teilen ließe. Mein Learning: Über die Vorstellungen, wie es mit einem Beschäftigungsverhältnis nach einer Elternzeit weitergeht, können beide Seite gar nicht früh genug sprechen. 

Auch in meiner späteren Position als Personalerin habe ich gemerkt, dass sich viele Mitarbeitende während ihrer Elternzeit abgehängt fühlen. Oft beginnt dieses Gefühl schon wie ein kleines Saatkorn zu keimen, wenn die Mitarbeiterin der Führungskraft von ihrer Schwangerschaft berichtet. Gleiches passiert auch Vätern, die ihren Vorgesetzten vom Elternzeitwunsch erzählen, vor allem, wenn dieser umfangreicher ausfällt als die „salonfähigen“ zwei Vätermonate.

Erfolgreicher Wiedereinstieg – Fundament für Familienfreundlichkeit im Unternehmen

Familienfreundlichkeit ist heute mehr denn je ein wichtiger Baustein für die Attraktivität von Arbeitgebenden. Spätestens wenn Mitarbeiter:innen Eltern werden, wird das Attraktivitätsmerkmal Familienfreundlichkeit auf den Prüfstand gestellt. Fällt die Prüfung negativ aus, kann dies zur Eigenkündigung des Elternteils führen. 

Ξ Sind Angestellte in der Pandemie überhaupt wechselwillig?  Dieser Frage ist Sophie in dieser Ausgabe nachgegangen.

Ich beschreibe das Thema Familienfreundlichkeit gern wie ein Haus: Verschiedene individuelle Maßnahmen haben dort ihren Platz, aber der erfolgreiche Wiedereinstieg ist immer das Fundament. Unternehmen können das Thema Wiedereinstieg als große Chance für die Bindung ihrer Mitarbeitenden nutzen, indem sie sich dem annehmen und einen wertschätzenden, durchdachten Prozess kreieren. Hier können sie vieles anders und besser machen als das aktuell der Fall ist.

Erfolgreicher Wiedereinstieg – das können Unternehmen dafür tun

Unternehmen können konkrete Maßnahmen ergreifen, um Mitarbeiter:innen über eine Elternzeit und den darauffolgenden Wiedereinstieg erfolgreich an sich zu binden.

Hierbei ist zu bedenken, dass kein Unternehmen gleich ist. Der Handwerksbetrieb wird seine:n Meister:in nicht unbedingt mit Homeofficelösungen locken können, während IT-Entwickler:innen prima fragmentiert von zu Hause arbeiten können. Es müssen daher individuelle Lösungen her. Die folgende Checkliste kann dabei helfen, sie zu entwickeln.

Checkliste für den Wiedereinstieg

  • Hurra, Sie werden Eltern!

Frauen schreiten häufig wie ein Lamm zur Schlachtbank, wenn es darum geht, dem:der Chef:in von ihrer Schwangerschaft zu erzählen. Vielleicht liegt das an einem sprichwörtlich angeborenen schlechten Gewissen (den Arbeitgeber „hängen lassen zu müssen“), vielleicht auch an vorherigen schlechten Erfahrungen – selbst erlebt oder von anderen berichtet. Reagieren Sie im ersten Gespräch daher mit einer uneingeschränkt positiven Reaktion. Sorge über die Aufgabenverteilung, nach dem Motto, „Oh Gott, was machen wir denn ohne Sie“, haben in so einem Gespräch besser keinen Platz, und können zu einem späteren Zeitpunkt in einem Gespräch mit Planungscharakter behandelt werden. Gleiches gilt selbstverständlich für Elternzeitwunschgespräche mit Vätern.

  • Stellen Sie Informationsmaterial zusammen 

Elternzeit, Elterngeld (Basis oder Plus?), Mutterschutz, Lohnfortzahlung, Kitaplatzsuche….Tausend Themen, die werdende Eltern bewegen. All das will recherchiert werden. Warum nicht den:die Mitarbeiter:in mit einem Infopaket dazu unterstützen? Informationen bekommen Unternehmen zum Beispiel hier BMFSFJ – Elterngeld, ElterngeldPlus und Elternzeit.

  • Türen öffnen statt schließen 

Kürzlich erzählte mir eine Klientin, dass ihr kurz nach Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft verantwortungsvolle Aufgaben weggenommen wurden. Mit neuen Projekten wurde sie nicht mehr betraut, weil die Führungskraft befürchtet, der Kunde wäre am Ende verärgert, wenn durch ihre Elternzeit sein(e) Ansprechpartner:in wechselte. Die Sorge ist vielleicht nicht ganz unberechtigt, aber wie wäre es stattdessen, offen mit der schwangeren Mitarbeiterin zu sprechen, wie hier Lösungen entwickelt werden können und auch dem Kunden gegenüber offen mit dem Thema umzugehen? Zu einem familienfreundlichen Mindset von Führungskräften und Belegschaft gehört auch das Vertrauen in und die Wertschätzung für die Arbeit von (werdenden) Eltern. Falsches Bemuttern und in Watte packen wirkt hier eher demotivierend. Eine schöne Lösung: Stellen im Tandem besetzen, sodass auch während Familienzeiten ein:e konstante:r Ansprechpartner:in bleibt. Tolle Lösungen bieten da Unternehmen wie die Twise GmbH und Pairforming.

Ξ Job-Tandem auf Führungsebene: In unserer zweiten Ausgabe berichten zwei Führungskräfte von HAMBURG WASSER, wie sie sich ihre Position teilen

  • Entwicklungsgespräch vor der Auszeit 

Natürlich wünschen sich Unternehmen ihre Mitarbeitenden motiviert und leistungsfähig zurück. Ein erstes Gespräch zu den Vorstellungen des:der Mitarbeiter:in für die Rückkehr sollte vor Beginn der Elternzeit geführt werden. Ohne Forderungen zu stellen, können Sie hier zeigen, wie wertvoll Ihnen der:die Mitarbeiter:in ist und dass Sie ihn oder sie auch weiterhin bei seiner bzw. ihrer Entwicklung im Unternehmen unterstützen möchten. 

  • In Kontakt bleiben 

Nehmen Sie es Müttern und Vätern nicht übel, wenn der versprochene erste Besuch mit Baby auf sich warten lässt. Der Fokus ändert sich durch ein neues Familienmitglied oft enorm. Fragen Sie, wie es dem:der Mitarbeiter:in geht, machen Sie immer wieder Kontaktangebote und laden Sie Elternzeitler:innen konsequent zu allen Events ein. Dazu gehören auch Weiterbildungsangebote, die Mitarbeitende in Elternzeit gerne annehmen, um fachlich am Ball zu bleiben. Leiten Sie wichtige Informationen weiter und überlegen Sie, ob es nicht möglich ist, überlassene Hardware, Email-Accounts etc. für die Elternzeit weiter bestehen zu lassen. Schnell kann ein:e Mitarbeiter:in in Elternzeit so auch mal unterstützen, wenn es im Betrieb brennt, etwa bei Krankheit oder in Urlaubszeiten. Natürlich nach vorheriger Absprache.

  • Reboarding leicht gemacht 

Nun ist es so weit, der:die Mitarbeiter:in kommt bald zurück und beide Seiten wünschen sich einen schnellen und reibungslosen Wiedereinstieg. Zur langfristigen Planung dient bereits das Planungsgespräch vor der Auszeit und auch während der Elternzeit sollte eine Art Realitätscheck erfolgen, sobald auch wichtige Punkte wie die Aufteilung der Aufgaben unter den Eltern und die Lösung der Kinderbetreuung Gestalt annehmen. Denn dann kann konkret über Aufgaben, Arbeitszeit und Arbeitsmodell gesprochen werden. 

Vor dem großen Tag empfehle ich dann ein weiteres persönliches Gespräch zwischen Führungskraft und Mitarbeiter:in um noch offene Fragen zu klären und die gegenseitigen Erwartungen abzugleichen. Am ersten Tag zurück im Unternehmen hilft ein herzlicher und gut organisierter Empfang dem:der Mitarbeiter:in, sich schnell wieder gut zurück und willkommen zu fühlen. Dazu gehören:

– ein Rundgang durch den Betrieb, um neu hinzugekommene Kolleg:innen vorzustellen und den persönlichen Kontakt zu allen Kolleg:innen wieder herzustellen.

– ein Willkommensmeeting im Team – (gerne mit einem kleinen Willkommensgruß in Form von Blumen, Schokolade o.ä)

– umfassende und gut aufbereitete Informationen über veränderte Vorgänge, aktuelle Projekte, neue Strukturen

– schrittweise und gut begleitete Aufnahme der Aufgaben

– Unterstützung durch eine:n Mentor:in, der:die gerne bereits während der Auszeit den Kontakt zum:zur Mitarbeiter:in gehalten hat und nun mit Rat und Tat zur Seite steht


Als Coach und Beraterin begleitet Katja Schumacher Eltern nach Familienzeiten beim Wiedereinstieg in den Job und unterstützt Unternehmen dabei, familienfreundlich erfolgreich zu sein. Sie war 12 Jahre lang ohne und mit Kind(ern) in verschiedenen Unternehmen als Führungskraft und HR-Managerin tätig und blickt deshalb immer aus beiden Blickwinkeln auf das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf: unternehmens- und elternseitig.

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