Magazinausgabe #2, Struktur & Kultur
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Mit Top-Sharing den Rekrutierungspool erweitern? Das geht!

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Unser Praxisbeispiel aus Hamburg hat es gezeigt: Führungspositionen zu teilen, kann nicht nur eine Win-Win-Situation für Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen sein, sondern auch die Chancengleichheit und Diversität in Unternehmen fördern. Dieses Modell bei der Rekrutierung neuer Führungskräfte mitzudenken und vielleicht sogar zu betonen, zahlt sich daher aus. Was Personaler*innen, Geschäftsführer*innen und andere Entscheider*innen dabei beachten sollten, haben unsere Gastautorinnen Katharina Wiench und Esther Himmen zusammengefasst.

Ist es wirklich eine gute Idee, als Arbeitgeber*in zu signalisieren, dass neben den klassischen Führungsmodellen und Karrierepfaden für Führungskräfte auch Top-Sharing (also Job-Sharing für Expert*innen und Manager*innen) angeboten wird? Ja, definitiv, denn damit kann der Rekrutierungspool umgehend erweitert werden.

Unsere Top-Sharing-Interesse-Studie (2019) hat gezeigt: das Interesse an diesem Arbeits- und Führungsmodell ist groß – sowohl bei Frauen als auch bei Männern. Wer Job- und Top-Sharing betont, spricht auch potenzielle Bewerber*innen an, die zuvor durch das klassische Auswahlraster für Manager*innen gefallen sind und sich deswegen pro-aktiv nicht beworben haben. Weil sie beispielsweise

– kein Interesse (mehr) an einer klassischen Karriere haben

– einzeln betrachtet vielleicht (noch) nicht alle geforderten Kompetenzen vollumfänglich erfüllen

– oder nicht in Vollzeit für eine Managerrolle zur Verfügung stehen wollen.

Führungs-Tandem: Wie sollten Stellenanzeigen formuliert werden?

Was Unternehmen unbedingt als allererstes tun sollten, wenn sie offen für Job-Tandems sind: ihre  Stellenausschreibungen passend formulieren. Ein einfacher Satz reicht hier als Ergänzung der Ausschreibung schon aus. Zum Beispiel: „Diese Stelle kann auch in Teilzeit oder im Job-Sharing besetzt werden.“  Oder wenn sie es etwas persönlicher machen wollen: „Bewerbungen in Teilzeit oder im Job-Sharing sind uns sehr willkommen!“

Führungs-Tandem: Bewerbung und Auswahlverfahren

Natürlich ist eine Bewerbung im Tandem etwas anderes als eine Einzel-Bewerbung. Für Tandems, die sich gemeinsam auf eine Stelle bewerben möchten, gilt: Sie müssen ihre Bewerbung so gestalten, dass nicht nur jede*r einzelne Tandempartner*in mit ihren*seinen Kompetenzen und Stärken zu Wort kommt, sondern auch einen plausiblen „Businesscase“ darlegen, warum die*der neue Arbeitgeber*in gerade sie beide als Tandem und nicht eine*n einzelne*n Manager*in einstellen sollte. 

Bewerber*innen sollten sich die Frage stellen: Wo schaffen wir als Tandem einen echten Mehrwert für das Unternehmen und die gemeinsame Rolle? Es ist übrigens hilfreich, vor einer Bewerbung schon einmal zusammengearbeitet zu haben. Falls man sich nicht schon aus einem gemeinsamen Arbeitskontext kennt, empfehlen wir, sich ein kleines gemeinsames Projekt zu suchen (das kann zum Beispiel auch im Bereich Ehrenamt sein) und sich da zu erproben. 

Für Unternehmen, die eine Stelle mit zwei Personen besetzen wollen, die noch kein Tandem sind, ist es wichtig zu beachten, dass das Auswahlverfahren mehrdimensional erfolgen muss:

  1. Das Unternehmen sucht die neuen Mitarbeiter*innen anhand der jeweiligen Auswahlkriterien aus. 
  2. Die neuen Mitarbeiter*innen entscheiden, ob sie zum Unternehmen und zum Job passen. 
  3. Und als zukünftige Tandem-Partner*innen müssen sie bei der Entscheidung füreinander ebenfalls unbedingt ein Auswahl- und Entscheidungsrecht haben. 

Führungs-Tandem: Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?

Für die Besetzung im Top-Sharing sind prinzipiell alle Rollen auf allen Hierarchie-Ebenen in den unterschiedlichsten Branchen geeignet. Dennoch gilt es, bestimmte Bedingungen zu berücksichtigen, denn nicht jeder Mensch ist für diese Arbeitsform geeignet. Und auch auf Seiten der Unternehmen sollten bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden, damit das Tandem auch wirklich gut funktioniert. 

Auf Seiten der Tandems sollten folgende Dinge beachtet werden:

– Die Tandempartner*innen müssen das letzte Wort bei der Wahl ihrer*ihres Tandempartner*in haben. Nur wenn die Chemie zwischen den beiden passt und sie sich sympathisch sind, hat das Tandem eine Chance, gut zu funktionieren. Dies ist auch eng damit verbunden, dass sie ähnliche Kernwerte und Haltungen teilen sollten.

– Außerdem muss es darum gehen, generell einen „guten Match“ zu finden. Es sollte zwar große Überschneidungen, aber auch genügend Unterschiede zwischen beiden geben. Beides betrifft z.B. Skills, Erfahrung und Persönlichkeit. 

– Und: Die Tandem-Partner*innen müssen eine ausgeprägte Bereitschaft zu radikaler Selbstreflektion mitbringen. Ohne die Offenheit, sich regelmäßig von ihrer*ihrem Partner*in spiegeln zu lassen und gemeinsam zu lernen, funktioniert es nicht.

Auf Seiten des Unternehmens ist folgendes zu beachten:

– Das Management sollte geschlossen hinter dem Job-Sharing stehen, Co-Leadership aktiv unterstützen und bereit sein, im Prozess zu lernen. Dazu gehört auch, das Job-Sharing-Angebot offen und transparent zu kommunizieren.

– Tandems sollt eine Coaching-Begleitung angeboten werden, damit sie gut in die gemeinsame Rolle hineinwachsen und schnell Wirksamkeit entfalten.

– Top-Sharing ist eine ganz andere, häufig noch unbekannte Art der Führung in einem Unternehmen. Die offizielle Einführung von Top-Sharing geht häufig mit einem Kulturwandel einher – und auch der sollte professionell begleitet werden.

– In großen Unternehmen kann ein*e interne*n Ansprechpartner*in für Top Sharing-Tandems und deren Vorgesetzte Unterstützung bieten. Organisationen sollten zudem interne Initiativen fördern, bei denen sich ihre Tandems austauschen und voneinander lernen können (z. B. Roundtable, JobSharing-Lunch o. ä.).


Autorinnen: Katharina Wiench & Esther Himmen

Katharina Wiench & Esther Himmen sind seit 2016 selbst ein Tandem, Joint Leadership-Expertinnen und Tandem Coaches. Beide haben als Managerinnen viele Jahre Teams geführt und erfolgreich Projekte geleitet. Als Gründerinnen von Pairforming unterstützen sie Unternehmen, Tandems und Einzelpersonen, Top-Sharing erfolgreich in die Praxis umzusetzen. In ihrer Forschung leisten sie einen Beitrag dazu, besser zu verstehen, was ein gelungenes TopSharing für Unternehmen und TopSharer bringt. Ein erster Ergebnisreport ihrer aktuellen Forschungsarbeit wird Ende 2020 veröffentlicht werden. LinkedIn | Website | Instagram 

1 Kommentare

  1. […] Kürzlich erzählte mir eine Klientin, dass ihr kurz nach Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft verantwortungsvolle Aufgaben weggenommen wurden. Mit neuen Projekten wurde sie nicht mehr betraut, weil die Führungskraft befürchtet, der Kunde wäre am Ende verärgert, wenn durch ihre Elternzeit sein(e) Ansprechpartner:in wechselte. Die Sorge ist vielleicht nicht ganz unberechtigt, aber wie wäre es stattdessen, offen mit der schwangeren Mitarbeiterin zu sprechen, wie hier Lösungen entwickelt werden können und auch dem Kunden gegenüber offen mit dem Thema umzugehen? Zu einem familienfreundlichen Mindset von Führungskräften und Belegschaft gehört auch das Vertrauen in und die Wertschätzung für die Arbeit von (werdenden) Eltern. Falsches Bemuttern und in Watte packen wirkt hier eher demotivierend. Eine schöne Lösung: Stellen im Tandem besetzen, sodass auch während Familienzeiten ein:e konstante:r Ansprechpartner:in bleibt. Tolle Lösungen bieten da Unternehmen wie die Twise GmbH und Pairforming. […]

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