Fürsorgearbeit, Magazinausgabe #2
Schreibe einen Kommentar

Teilzeit muss männlicher werden

durchschnittliche Lesedauer 3 Minuten

Um Teilzeit vom Stigma des Nebenjobs zu befreien, braucht es vor allem mehr Männer, die dieses Modell wählen. Das hätte nicht nur Vorteile für Familien, sondern auch positive Effekte für Gesellschaft und Wirtschaft. Für alle Männer, die sie nutzen wollen, ist dieser Brief.

Lieber (werdender) Vater, lieber Mann,

hast du das Gefühl, zu viele Dinge auf Wochenenden und Urlaube verschieben zu müssen? Diese eine Geschäftsidee, auf die dein*e Arbeitgeber*in nicht aufspringen möchte. Schöne Momente mit der Familie. Endlich mal wieder ausgiebig mit den Eltern sprechen. Und ach! Sport wolltest du ja eigentlich auch noch machen? 

Als zweifacher Vater (meine Kinder sind 5 und 1) fallen mir viele Argumente ein, weniger zu arbeiten und mehr Zeit mit den Kindern zu verbringen. Die ersten Schritte, die ersten Worte, das erste Tor beim Fußball, das erste Mal Haare flechten, abholen von der KiTa – das alles verpassen? Nein, das wollte und will ich nicht. 

Meine aktuelle Teilzeittätigkeit ermöglicht mir viel Zeit mit meinen Kindern und Zeit für private Projekte – zum Beispiel für diesen Artikel. Arbeit in Teilzeit könnte auch für Dich eine Lösung sein. Und für ein großes gesellschaftliches Problem:

Warum muss Teilzeit männlicher werden?

Teilzeit ist derzeit vorwiegend ein Thema für Frauen. Sie sind es in der Regel, die bezahlte Arbeit aufgeben, um mehr unbezahlte Arbeit zu verrichten. Die Folge sind unter anderem, dass sich Rollenbilder verfestigen, Frauen weiterhin weniger Karriere machen und ihnen eine bedeutend kleinere Rente zusteht als Männern. 

Ξ Achtung, Falle!”: Um die Schattenseiten von Teilzeit und die einhergehende Last der Care-Arbeit geht es auch in Sandras Artikel.

Die Teilzeitschere zwischen den Geschlechtern finde ich aus zwei Gründen problematisch. Zum ersten möchte ich in einer fairen und solidarischen Gesellschaft leben, in der Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern herrscht. Um Frauen mehr Chancen zu ermöglichen, müssen Männer endlich aktiver werden. Meinst du nicht?

Zum zweiten bietet eine Arbeit in Teilzeit  jedem von uns die Möglichkeit zu prüfen, woraus er seine Erfüllung ziehst. Ist es die Arbeit, sind es die Kinder, ist es die ehrenamtliche Tätigkeit oder doch das Buchprojekt oder der Podcast, über den du schon so lange nachdenkst? Arbeit in Teilzeit kann uns allen helfen, uns und unsere Potenziale besser zu begreifen und zu entfalten.

Wie kann der Wandel gelingen?

Strukturelle Hindernisse wie das Ehegattensplitting müssen abgeschafft werden, denn es belohnt möglichst ungleiche Einkommensverhältnisse. Diese steuerliche Förderung des Einverdiener-Modells zementiert die bestehende Diskrepanz in der Arbeitszeit zwischen Männern und Frauen. 

Führung und Karriere muss auch in Teilzeit möglich sein. Dass das funktionieren kann, z.B. in Job-Tandems, zeigt der Leitartikel dieser Magazinausgabe. Unternehmen müssen verstehen, dass nicht die Dauer sondern die Qualität der Arbeitszeit entscheidend für den Unternehmenserfolg ist.

Aber was kannst du selbst tun? Gleichgeschlechtliche Vorbilder sind besonders bei Themen relevant, die dem eigenen Geschlecht eher nicht zugeschrieben werden. Männer brauchen also männliche Vorbilder und Beispiele, wie alternative Arbeitsmodelle aussehen können. Wenn diese dann noch von Vorgesetzten kommen, ist der Vorbildeffekt umso höher. Aus der Praxis erlebe ich selbst, dass meine Teilzeitarbeit kritisch hinterfragt wird – von Männern. Sobald ein ausführliches Gespräch stattgefunden hat, ist das Verständnis und die Akzeptanz viel höher.

Was bringen uns mehr Männer in Teilzeit?

Mehr Männer in Teilzeit sind ein Katalysator für Gleichberechtigung. Gerechter verteilte Arbeitszeiten erlauben eine gerechtere Aufteilung von Erwerbsarbeit und Care-Arbeit. Dies führt zu gleichberechtigter Elternschaft und schafft Vorbilder für kommende Generationen.

Eine sich schließende Lücke zwischen den Einkommen von Frauen und Männern erlaubt auch eine gerechtere Verteilung von Elternzeit, da die verringerten Einkommensunterschiede eine Angleichung im Elterngeldbezug bewirken. Ähnliche Einkommen führen zu ähnlichen Renten.

Mehr Männer in Teilzeit führen zu einer anderen Wahrnehmung von Teilzeit durch Arbeitgeber*innen. Wenn mehr Menschen in Teilzeit arbeiten, wird Führung und Verantwortung auch in Teilzeit möglich (und nötig) sein. Dies wird wiederum dazu führen, dass mehr in Teilzeit arbeitenden Frauen mit Führungsaufgaben betraut werden. Teilzeitarbeit wird endlich nicht länger als Nebenjob abgetan.

Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen sind vielfältig. Im ersten Schritt bleibt in vielen Konstellationen ein Einkommensverlust. Es ist die Henne-Ei-Problematik – wie viel Einbuße nimmst du kurzfristig vielleicht hin, um langfristig eine gerechtere Arbeitswelt zu schaffen und dich selbst verwirklichen zu können?

Langfristig gesehen, sind mehr Männer in Teilzeit ein wichtiger Schritt zu mehr Gleichberechtigung.  Machen wir diesen Schritt gemeinsam!

Du möchtest sehen, ob Teilzeit für dich machbar ist? Probier es doch mal so:

  • Du kannst Teilzeit simulieren, in dem du über einen Zeitraum von mehreren Wochen einen oder mehrere Urlaubstage pro Woche nutzt oder angesammelte Überstunden endlich abbaust. 
  • Probiere so aus, ob du eher der Typ für komplette freie Tage oder für kürzere Arbeitstage bist. 
  • Sprich mit deinen Vorgesetzten oder der HR-Abteilung und lotet gemeinsam aus, welche Teilzeitmodelle für dich in Frage kommen. 
  • Du möchtest Dich nicht für ewig auf Teilzeit festlegen? Vielleicht könnt Ihr Euch auf ein Probemodell für die Teilzeitregelung einigen?
  • Wenn du noch Anspruch auf Elternzeit hast, kann das Elterngeld Plus für dich ein Einstieg in die Teilzeit sein. In diesem Modell kannst du bis zu 30h arbeiten und bekommst für den reduzierten Arbeitsanteil Elterngeld gezahlt. 
  • Sammle Ideen, wofür die gewonnene Zeit nutzen möchtest. Sprich mit Partner*innen und Freund*innen darüber und schaffe so Verbindlichkeit.
  • Teilzeit für dich muss nicht bedeuten, dass in Eurem Haushalt weniger gearbeitet wird. Dein*e Partner*in kann in gleichem Maße ihre Arbeitszeit erhöhen, indem du diese reduzierst.

Kategorie: Fürsorgearbeit, Magazinausgabe #2

von

Falk ist IT-Berater mit fast 20 Jahren Berufserfahrung in mittelständischen Unternehmen und internationalen Konzernen. Seit zwei Jahren ist er Freiberufler in Teilzeit und sehr zufrieden damit. Als zweifacher Vater und Ehemann einer Vollzeit arbeitenden Frau treiben ihn Fragen nach Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, Fairness und Gleichberechtigung in der Kindererziehung sowie die richtigen Balance zwischen allem um. Darüber bloggt er seit 2017 auch auf www.papamachtsachen.de  Bei nine to life schildert er eine männliche Sicht auf Vereinbarkeit. Instagram | LinkedIn | Blog | Podcast

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert