Führung, Magazinausgabe #3
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Die eigenen Bedürfnisse erkennen: Eine Checkliste

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Gespräche mit Mitarbeiter:innen sind eine hervorragende Gelegenheit, um über das Thema mentale Gesundheit zu sprechen. Konkret: über unerfüllte Bedürfnisse, die zu Frust oder gar psychischer Belastung führen. Führungskräfte können erfahren, was ein Teammitglied braucht, um im besten Fall anschließend gemeinsam Maßnahmen zu erarbeiten. Soweit die Theorie. In der Praxis ist es für Mitarbeiter:innen gar nicht immer so leicht, ihre konkreten Bedürfnisse zu erkennen. Die richtigen Fragen können Führungskräfte dabei unterstützen, herauszufinden, was genau ihr Gegenüber braucht.

Eine mögliche Antwort gibt mir Agatha Bieschke. Sie arbeitet als Area Director bei der Regus Group, einem der größten Anbieter für flexible Bürolösungen mit 3.500 Standorten weltweit. Davon betreut sie rund 40 in Norddeutschland mit insgesamt ca. 200 Mitarbeitern.

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Agatha Bieschke ist nicht nur Führungskraft, sondern auch Coach und Gesellschafterin mehrerer Unternehmen. 2020 gründete sie den Made for More Club, ein Coaching-Programm für Frauen. Basierend auf ihren beruflichen Erfahrungen entwickelte sie eine Checkliste, um im Gespräch mit Mitarbeiter:innen und Führungskräften deren konkrete Bedürfnisse zu erkennen und individuelle Lösungen zu schaffen.

Frau Bieschke, wie sind Sie dazu gekommen mit einer solchen Checkliste zu arbeiten?

Die Checkliste ist von der menschlichen Bedürfnispyramide nach Maslow abgeleitet und von mir an die Anforderungen von Karriere und Beruf angepasst. In meiner Zeit als Polizeikommissarin habe ich kriminelle Jugendliche gecoacht und festgestellt, dass Menschen zu negativen Gefühlen neigen, wenn ihre Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Selbst wenn Menschen objektiv gesehen einen Traumjob mit ausreichend Geld und Aufstiegschancen haben, kann es sein, dass sie trotzdem unglücklich sind. Ich wollte unbedingt wissen, warum sie unzufrieden sind und warum sie dies vielleicht auch gar nicht richtig benennen können. Denn wenn klar ist, warum jemand wirklich unzufrieden ist, dann können im besten Fall konkrete Lösungen gefunden werden.

bedürfnisse erkennen maslow

Wie kann ich mir ein Gespräch, basierend auf Ihrer Checkliste, vorstellen?

Man geht von der Basis der Bedürfnispyramide (Sicherheit) bis hoch zur Spitze (Selbstverwirklichung) die einzelnen Punkte durch. Der:die Mitarbeiter:in bewertet die einzelnen Bereiche mit Werten zwischen 1 (dieses Bedürfnis erfüllt mein Job gar nicht) und 10 (dieses Bedürfnis erfüllt mein Job voll und ganz). Anschließend überlegen Führungskraft und Mitarbeiter:in, welche Punktzahl sie gerne erreichen würden. Wichtig ist hier, dass jeder anders interpretiert, was er:sie braucht. Es gibt Menschen, die brauchen zum Beispiel sehr viel Sicherheit, und es gibt Menschen, die brauchen mehr Aufregung und Abwechslung. Die meisten wissen allerdings nicht, welches das Level ist, dass sie jeweils brauchen. Wenn ich detaillierte Fragen stelle –  Was brauchst du, um glücklich zu sein und wie ist es gerade für dich? – kommen wir aber meist an die Punkte, wo es hakt. Dann können wir viel besser Maßnahmen herleiten. Und das sind immer unterschiedliche, weil die Unzufriedenheit immer an individuellen Punkten liegt. So kann man viel genauer Probleme lösen.

Beim Durchgehen der Punkte fällt mir auf, es hapert für mich besonders im Bereich der Abwechslung. Mein Job ist für mich nur eine 5/10, weil viele administrative Aufgaben immer gleich bleiben, aber ich hätte gerne eine 8/10, weil ich mehr machen und lernen will. Was kann ich jetzt tun?

Überleg dir, was genau du mehr machen willst und was genau du mehr lernen willst. Das ist der Knotenpunkt im Gespräch mit der Führungskraft, an welchem man das Problem herausgefiltert hat und nun gemeinsam konstruktiv erarbeiten kann, was konkret unter „ich will mehr machen, mehr lernen“ fällt, um gemeinsam Maßnahmen festzulegen. Zum Beispiel, dass man mehr Verantwortung in einem Bereich übernimmt und dazu alle 6 Monate einen Workshop besucht. Diese Selbstreflexion im Gespräch ermöglicht, dass sich das Teammitglied vor Augen führt, was es genau will, und zeigt der Führungskraft für welche Probleme gemeinsam konkrete Lösungen und Maßnahmen festzulegen sind.

Wie und mit welcher Regelmäßigkeit gehen Sie solche Gespräche mit Ihren Mitarbeiter:innen an?

Jeder kennt mich ja so ein bisschen als Coach, das heißt, sie sind da meistens alle sehr offen. Wir beschränken das auf die Lebensbereiche Beruf, Karriere und Finanzen, weil ich natürlich jedem auch den Raum geben möchte, privat zu bleiben. Dennoch ist es so, dass ich versuche, in laufenden Gesprächen die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit herauszufinden. Aber ich habe auch regelmäßig Coaching-Gespräche mit Führungskräften, in denen ich mit der Checkliste arbeite.

Wir sind unterteilt in den Sales-Part, also die Mitarbeiter:innen, die sich direkt mit den Kund:innen treffen, und dann in den Operations-Part mit den Mitarbeiter:innen, die die Standorte betreiben. Ich spreche mit den Sales-Führungskräften fast jeden Tag und mit den Operations-Führungskräften alle 14 Tage. Und wenn ich aus diesen Gesprächen durch Körpersprache oder durch Äußerungen einen Anlass erkenne, dass hier mal eine Stunde gut wäre, werden Coaching-Termine vereinbart.

Haben Sie Beispiele für ein Gespräch und Maßnahmen, die aus diesem Gespräch gezogen wurden?

Zum Beispiel habe ich eine Führungskraft, die als Fachkraft sehr gut ist. Wir sind die Checkliste durchgegangen und bei ihm kam heraus, dass er mit seinem Wachstum unzufrieden ist. Ihm geht das eigene Entwickeln und Wachsen nicht schnell genug. Dabei ist er schon unter den Top drei Verkäufer:innen und kann da ohnehin nicht besser werden. Wir haben uns gefragt, was bräuchte er denn jetzt, um dieses Wachstum zu erzielen, also wo will er hinwachsen. Was ist das Ziel? Ausgehend von dem Ziel haben wir überlegt, welchen Skill er bräuchte, um dieses Ziel zu erreichen. Dort haben wir den Skill „Führung“ herauskristallisiert. Er beschäftigt sich nun erstmal mit Literatur zum Thema „Führung“. 

Wenn ich jetzt als Fachkraft, gerade auch als junge Fachkraft, die Punkte Ihrer Checkliste durchgehe und merke, dass es mir an einem Punkt fehlt, wie sollte ich da am besten vorgehen?

Als Fachkraft würde ich immer versuchen, lösungsorientiert an ein Gespräch zu gehen und niemals problemorientiert. Ich versuche immer darauf hinzucoachen, dass die Fachkräfte wissen: Komm nicht mit einem Problem zu mir, sondern komm schon mit einer Lösung zu mir, auf der wir aufbauen können.

Wie vermitteln Sie dies Ihrem Team?

Im Tun. Wenn ich in ein neues Unternehmen komme, dann übernehme ich oft Strukturen, die jemand anders geprägt hat. Das erste, was ich versuche, ist, wenn jemand zu mir sagt, „Ich habe ein Problem.“, dass ich die Person frage, was sie denn für ein Problem hat, anstatt einen Vorschlag zu machen, wie sie das löst. 

Und alleine dadurch, dass ich frage, „Und jetzt? Hattest du schon eine Idee, wie man das lösen kann? Hast du eine Idee, wo du rausfinden kannst, wie du es lösen kannst?“, ist die Person gezwungen zu recherchieren und eine Lösung zu finden. Dann kommt sie mit der Lösung zu mir und auf der Lösung bauen wir dann auf. Das dauert zu Beginn etwas länger. Also der Prozess, dass jemand gezwungen wird, selbst eine Lösung zu finden. Später ist man da trainiert und überlegt, wie man das Problem lösen könnte. So integriert man eine lösungsorientierte Kultur und fördert selbstständiges Denken.


Die Checkliste eignet sich auch zur Selbstreflexion! Wendet sie doch am besten gleich mal auf Euch an…

  1. Sicherheit: Ist mein Job sicher? Muss ich mir Sorgen um meine Zukunft machen? Verdiene ich genug Geld, um vernünftig leben zu können?
  1. Abwechslung: Ist mein Job trotz gegebener Sicherheit abwechslungsreich und spannend, sodass ich dabei bleiben will?
  1. Bedeutung: Welchen Sinn sehe ich in meinem Job? Sehe ich in dem, was ich mache oder dem Produkt, was ich vertreibe, eine Bedeutung?
  1. Beziehungen: Fühlst du dich in dem Team in dem du arbeitest wohl?
  1. Wachstum: Kann ich noch persönlich wachsen? Lerne ich? Wächst das Unternehmen?
  1. Selbstverwirklichung: Hast du das Gefühl, etwas verändern/ einen Beitrag leisten zu können?
Kategorie: Führung, Magazinausgabe #3

von

Kim ist Stimme der Generation Z und spielt gern mit Zukunftsgedanken. “Wie kann ich die Arbeitswelt, in die ich eintauchen werde, schon jetzt fortschrittlicher gestalten?, fragte sie sich – und fand die Antwort in einer Mitarbeit bei NINE TO LIFE. Kim studiert Kommunikations- und Medienwissenschaften.

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